Die Seele des Table d’hôtes

In den letzten Wochen wurde ich hier im Städtchen mehrfach auf unseren «Table d`hôtes» angesprochen. «Es riecht so gut, wenn man abends am Envie de Sud vorbeigeht», schmeicheln mir Anwohner und Passanten. Sie bleiben vor dem Küchenfenster stehen und gucken. Die einen verstohlen, die anderen offensiv. Ich habe bei dieser Gelegenheit schon ofenwarme, saftige Zitronen Muffins angeboten. Das Rezept ist simpel: Viel frische Butter, Eier, etwas Zucker, fein gesiebtes Mehl, Backpulver und der Saft von sonnengereiften Zitronen. Und zum Schluss…nein, das verrate ich hier nicht. Vielleicht in geselliger Runde, wenn wir alle am langen Tisch sitzen und ich ins Plaudern komme…das kann gut sein.

Die Abende, an welchen Andreas und ich zusammen mit unseren Gästen am Tisch sitzen, sind immer etwas Besonderes für uns. Berührend ist die Offenheit mit welcher uns die Gäste begegnen. Der Table d`hôtes ist mehr als einfach gut essen und trinken. Es ist ein Zusammensein unter Gleichgesinnten: Paare, Familien, Einzelreisende und wir. Wir kochen und essen mit. Meistens entspannt. Hin und wieder muss ich ein wenig improvisieren. Immer dann, wenn kurzfristig noch mehr Gäste dazukommen oder mir am Nachmittag die Zeit davongelaufen ist.

Ich koche an mehreren Abenden in der Woche für eine kleinere oder grössere Runde. Auf Anfrage auch mal öfters. Das Konzept ist immer gleich: Gegen 19 Uhr servieren wir einen Aperitif und Häppchen. Sowohl wir wie auch die Gäste unter sich lernen sich kennen. Andreas und ich übersetzen bei Bedarf. Das klappt hervorragend. Nur an einem einzigen Abend reichten unsere Sprachkenntnisse nicht: Tschechisch haben wir nicht im Repertoire. Doch mit ein paar Brocken Englisch, Deutsch, Händen und viel gutem Wille kam das Gespräch rasch in Gang. Rückblickend war es einer der geselligsten Abende. Gleichgesinnte Seelen finden offensichtlich immer einen Weg.

Auf den Envie de Sud Tisch kommen fast ausschliesslich regionale und saisonale Produkte. Ich lasse mich beim Bummel über den Markt inspirieren und stelle dann das Menü zusammen. Kürzlich zum Beispiel habe ich folgendes serviert: Battaviasalat mit gebratenen Pilzen, Speck, Schalotten und Feigen und eine Kürbis-Linsen-Kokosnusssuppe mit Muscheln. Danach gab es Saltimbocca vom Kabeljau mit Safranrisotto und Broccoli. Eine erfrischende Joghurtmousse mit Kaki Schaum bildete den Abschluss. Die Handschrift meiner Küche: Ich setze auf die natürlichen Aromen der Produkte. Ein Tanz von Geschmack und Farben. Dem «Grünzeug» widme ich die Hauptaufmerksamkeit. Ob gebraten, gedämpft oder roh – Gemüse ist mein ganz persönlicher Star. So mancher staunt, was man aus einem bescheidenen Blumenkohl zaubern kann.

Derzeit dürfen wir leider nur Übernachtungsgäste am Table d`hôtes bewirten. Wir haben keine Lizenz für ein öffentliches Restaurant. Papa Staat ist mitunter kapriziös. Wir wachsen an den Herausforderungen des französischen Bewilligungsdschungels. Ob und wie und wann wir dann eventuell den Table d`hôtes in ein öffentliches Lokal verwandeln, wird sich zeigen. Dem Konzept: maximal 15 Gäste, ein langer Tisch und ein Menü zu einem Fixpreis werden wir treu bleiben. Wir freuen uns auf die nächsten Wochen und Monate und halten euch auf dem Laufenden.

Es geht natürlich auch anders. Ein Paar aus Vauvert buchte ein Zimmer mit Halbpension und genoss ohne lange Anreise und ohne Stau ein Wochenende im Envie de Sud. Sie hätten Zeit für Zweisamkeit und ein Genusserlebnis gesucht und definitiv gefunden, berichteten sie mir am Frühstückstisch. Sie wollen bald wiederkommen.

Herzlich,

Andreas & Ursula