Vivaldi, Bach und der Astronomieclub Orion 2000

Diese Woche bietet Vauvert und Umgebung eine Menge an Kultur und Konzerten. Überhaupt den ganzen Sommer über in der Region stelle ich fest. Warum genau in Vauvert weiss ich nicht. Aber ich finde es toll! Vielleicht weil Vauvert eine Musikschule hat deren Orchester und Formationen weit über die Region hinaus bekannt sind? Von Jazztrio über Kammerorchester bis hin zu einer Bigband. Anlässe finden ganzjährig statt. Ein Spezieller jedes Jahr am 21. Juni. Dann feiert ganz Frankreich den Tag der «Fête de la musique». Es finden zahlreiche Konzerte von Profis und Laien statt. Natürlich auch in Vauvert.

Nur ein paar Strassen vom Envie de Sud entfernt auf dem grossen Marktplatz steht die Bühne. Schon von weitem höre ich die Musik aus dem Lautsprecher klingen. Alle Plätze an den Tischen der «Bar des Halles» sind besetzt. Auch diejenigen an den extra aufgestellten Festbankgarnituren. Das Publikum ist gemischt. Kühler Rosé perlt in den Gläsern. Die auf den Tischen aufgetürmten leeren Pizzakartons vom benachbarten Lieferdienst «Pizza Nico» bilden einen für mich ungewohnten Kontrast. Mich von solchen Äusserlichkeiten abschrecken lassen? «Mais non!», es gehört zum Charme des «Midi», des Südens.

Die Darbietungen der Musikschüler sind erfrischend. Mit Herzblut vorgetragen. Wer sucht schon Perfektion sag ich mir und überhöre den einen oder anderen schrägen Ton. Wobei, je später die Stunde, desto besser der Qualität, stelle ich fest. Vielleicht liegt es auch am Rosé? Wie auch immer. Ich verbringe einen tollen Abend in diesem typisch südfranzösischen Städtchen Vauvert. Volkstümlich. Unkompliziert. Gut, dass der Sommer erst begonnen hat. Es werden bestimmt noch viele Gelegenheiten für mich und Gäste des Envie de Sud folgen.

Wer mich kennt weiss, dass ich Kontraste mag. Am liebsten grosse. Gleich am Tag darauf besuche ich das Eröffnungskonzert der « Nuits de Franquevaux 2017 ». Ein kleines, feines Festival im 7. Jahr der Ausführung. Das Programm verspricht viel.  Violinenduette von Vivaldi, Bach und Bériot.  Vorgetragen von zwei lokal bekannten Musikern: David Dussaud und Norbert de Jesus Pires. «Reveries natures sous les etoiles» lautet das Thema des Abends. Logisch, dass ich mir als Barockliebhaberin diese Gelegenheit nicht entgehen lasse. « Nehmen Sie einen Liegestuhl mit» hat mir die freundliche Dame bei der Reservation erklärt. «Wir treffen uns um 21:15 bei der Brücke in Franquevaux. Simon, vom Naturreservat Scamandre, erklärt uns Geräusche und Stimmen der Nacht. Anschliessend an das Konzert beobachten wir mit dem Astronomieclub Orion 2000 die Sterne».

Muss ich in den Sternen lesen können, um zu wissen, dass dieser Abend an Originalität kaum zu übertreffen ist? Wohl kaum. Mit Sicherheit macht die Kulisse einen grossen Teil der Ambiance aus. Die zirka 50 Klassikliebhaber sitzen oder liegen auf mitgebrachten Stühlen und Decken in der einbrechenden Dämmerung im Halbkreis am Canal du Rhône à Sète in Franquevaux. Zur Linken das Naturschutzgebiet mit Teichen und Sümpfen. Flora und Fauna.

Was folgt, ist ein Wechsel von virtuos vorgetragenen Violinenklängen und Sequenzen von Stille. Wobei diese Stille nicht still ist. Es zwitschert und zirpt und quakt. Die Stimmen der Nacht. Natur pur. Aus dem «Off» die Stimme von Simon, die hilft, die Laute einzelnen Tieren zuordnen zu können. Am Himmel zeigen sich mehr und mehr Sterne. Ich lasse mich vom Moment und der Stimmung wegtragen. Es ist einfach nur schön.

Bei leckerem Kuchen und Tee lassen wir den späten Abend ausklingen. Bernard Denoyer, der Präsident des Astronomieclub Beauvoisin und seine Freunde erklären die aktuelle Sternenkonstellation. Ich darf zum ersten Mal in meinem Leben durch ein Teleskop blicken. Echt faszinierende Bilder! Wenn auch surreal. So ganz folgen kann ich den Erklärungen der Astronomiefreunde nämlich nicht.

Die Thematik um Lichtjahre und abstrakt grosse Entfernungen übersteigt schlicht meinen Horizont. Ich lebe im hier und jetzt. Und – ja, auch ich mag in die Sterne gucken. Stundenlang. Aber das mit den Planeten und alles verstehen müssen? Hmm. Ich weiss auch so, dass ich einen für mich kostbaren Moment erlebe. Den Zauber des für einmal «Nichtwissens» werde ich mir bewahren beschliesse ich kurz darauf auf dem Heimweg. Auf dem Plateau der Costières de Nîmes verweile ich einen Moment. Mein Blick bleibt am Horizont hängen. Die Nacht ist klar. Mond und Sterne leuchten am Himmel. Es riecht nach Sommer. Und für mich nach tiefer Zufriedenheit. «Es ist schön hier in der Petite Camargue», denke ich still.

Die «Nuits de Franquevaux» dauern noch ein paar Tage an. Immer Ende Juni, Anfang Juli findet das Festival statt. Wahrlich ein Geheimtipp für Liebhaber von erstklassigen Kulturperlen abseits der grossen Bühnen. http://gard.infojeune.fr/nuits-de-franquevaux-2017. In meiner Agenda ist der Anlass fix notiert. Über eure Begleitung im nächsten Jahr freue ich mich.

Herzlich,

Ursula